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Us3 - Schizophonic |
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s3 – Schizophonic
Us3.com (Groove Attack)
Ich habe mich immer gefragt, wieso es ein kleines bisschen seltsam ist, Us3 gut zu finden. An den Platten zumindest kann es eigentlich nicht liegen, denn die waren nie schlecht. Im Gegenteil: War „Hand on the Torch“ 1993 noch der schlau jazzige, großflächig aus Blue Note-Samples collagierte Gegenentwurf zu Projekten wie Jazzmatazz, rückte ab dem zweiten Album „Broadway & 52nd“ (1997) mit dem Weggang Mel Simpsons der Sample-Aspekt zusehends in den Hintergrund. Geoff Wilkinson entwickelte das Projekt Us3 über die Jahre stetig weiter, involvierte immer neue Rapper (seinerzeit sogar Shabaam Sahdeeq), SängerInnen und Musiker und steuerte das lose Kollektiv mit homogenen, coolen Grooves und einer Prise Poesie durch zwei weitere Alben und einige hundert Live-Shows. Vielleicht ist es gerade Mastermind Wilkinson, der es mir etwas schwer macht, der als graue Eminenz im Wanderzirkus mit monströsen Flatscreens in der Bühnenmitte thront, Drumpatterns abspielt und eben Backbone und Gesicht dieses Projekts ist. Us3 bleibt ein wenig zu anonym für meinen Geschmack, zu ungreifbar, wenn einerseits explizit darauf hingewiesen wird, dass die komplette Live-Besetzung am Album gearbeitet hat, andererseits aber wieder nur Wilkinson (in schlimmen Klamotten) mit den zwei neuen Rappern im Booklet posiert.
Sei's drum, es geht hier nicht um apricotfarbene Hemden, sondern um ein durchaus gutes Album.
„That's How We Do It“ als Opener hakt sich gleich in einen hübschen Groove aus Kontrabass und Rhodes (Neville Malcolm, John Crawford) ein, den Akil Dasan rippt, um eine Liebeserklärung an Rap zu richten – für 2006 ist diese vielleicht etwas zu defensiv, aber wenn Akil Black Thought seine Ehre erweist und dabei sympathisch an den jungen Q-Tip erinnert, stimmt das Bild, die Horns stimmen ein und man macht es sich bequem. Leider ist Track 2 dann gleich ein Kandidat für die Ersatzbank. Geoff wollte nach Brasilien, hatte aber zuviel Karneval-Gerappel im Kopf: Wenig elegante Trillerpfeifen und hakelige Percussion-Loops treffen auf einen anstrengenden Bläsersatz und rufen „Bitte skippen.“ Machen wir.
Auf „Was It Love?“, getragen von Gitarre und sanfter Trompete, beweist Akil dann, was er als Storyteller kann. Der junge Poet wurde im legendären Hangout Nuyorican Poets Café von Geoff entdeckt, genauso wie sein Partner für dieses Album, Gaston. Beiden merkt man an, dass sie nicht aus dem Kinderzimmer kommen. Gewitzt und offenkundig Bühnen- und Freestyle-erprobt erobern sie dieses Album, das nach den letzten zwei, drei Longplayern von Us3 wieder stark auf Rap zielt. Die Arrangements sind sparsamer, die Instrumentierung elegant und kompakt. Und endlich, in „Huff & Puff“ kommt Gaston solo ans Mic, der sich technisch als die stärkere Hälfte zeigt: Auf einem gechoppten Sample-Track mit Cuts von DJ First Rate kommt er leicht sarkastisch um die Ecke, flowt verwinkelt und macht Spaß, auch wenn „state of the art“ anders klingt. Aber hey, es kann nicht jeder Young Jeezy hören.
„What's Going on in the World Today“ streift ohne peinlich zu werden Marvin-Gaye-remineszenten social commentary, vorbei geht es dann einer okayen Uptempo-Nummer zu „Girls U Like“, das eigentlich auch von Ugly Duckling kommen könnte. („I like girls with freckles a lot, cause when they sleep, I play connect the dots.“) So geht das hin und her. „If Only“ ist ein sauberes Instrumental, das nicht auf Rapper wartet, und Gastons „Don't Even Ask“ wechselt abrupt die Tonart. Das einzige Stück auf „Schizophonic“, das wirklich tiefer geht. Eine eindringliche Geschichte, spoken word über den Groove, über einen kleinen Jungen, über Gewalt in der Familie, über alltäglichen Horror und Ignoranz. Packend. Man hätte sich mehr von dieser Intensität gewünscht, was einem erst nach diesem Tune so richtig gewahr wird – Track 9 ist der einzige, der mal die Luft anhält und alles umdreht.
Danach geht es aber wie gehabt über schmissige Produktionen weiter, flowend, tanzbar, unterhaltsam, in „1-2-3-4U“ sogar ziemlich druckvoll, aber eben wieder an der Oberfläche, viereinhalb Stücke lang. Gegen Ende lässt sich der Eindruck nicht mehr abschütteln, dass hier zwei Rapper, die durchaus Niveau, Talent und Geschichten zu erzählen haben, an der kurzen Leine gehalten werden, genauso wie ein starkes Ensemble an Musikern, absichtlich oder nicht. Getragen wird das Album von einem trotzdem wirklich charmanten musikalischen Gerüst, in dem vor allem Neville Malcolms immer präsenter und präziser Kontrabass eine wichtige Rolle spielt. Ein wenig mehr gemeinsame Studiozeit hätte sicher Wunder wirken können, aber so bleibt unterschwellig der Eindruck, dass alle Beteiligten auf Albumlänge unter ihren Möglichkeiten bleiben. Sicher wird „Schizophonic“ nicht nur deswegen eine geringere Halbwertszeit als „Hand on the torch“ haben, ein unaufdringlich hörenswertes Album für lebenswerte Tage ist es aber trotzdem.
djmq | Dienstag, 13. Juni|
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